Die rund 100 Musikerinnen und Musiker der Philharmonie Südwestfalen und des Philharmonischen Orchesters Gießen bildeten einen ebenso harmonischen wie imposanten Klangkörper unter dem Dirigat von Nabil Shehata. Über zwei Stunden zogen sie das Publikum - mehr als 1.200 Gäste in der ausverkauften Siegerlandhalle - mit Ludwig van Beethovens Sinfonie Nr. 8 F-Dur (op. 93) und dem “Heldenleben” von Richard Strauss (op. 40) in den musikalischen Bann einer sinfonischen Dichtung und eines fulminanten Konzerterlebnisses.
Bei dem offiziellen Festakt zuvor hatte sich Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, mit einer persönlichen Widmung als Ehrengast in das Goldene Buch der Universitätsstadt Siegen eingetragen und von Bürgermeister Steffen Mues das “Goldene Krönchen” erhalten. Hendrik Wüst überbrachte auch die Glückwünsche der gesamten Landesregierung zum Stadtjubiläum. Mit den letzten Klängen der “Südwestfalen-Fanfare” von Andreas Reukauf hatten beide die in den Farben der Stadt Siegen und des Landes festlich geschmückte Siegerlandhalle betreten.
In seiner Festrede skizzierte Hendrik Wüst, was für ihn besonders bemerkenswert an der Stadt Siegen ist: “Eine starke Heimat, Zusammenhalt, ein großer Sinn für Gemeinschaft, eine enorme Wirtschaftskraft, eine Vernetzung innerhalb Europas seit Jahrhunderten. Siegen war schon immer ein echter Schatz und darum ja auch begehrt, angefangen beim Kölner Erzbischof Engelbert im Jahr 1224.” Dem Blick zurück folgte auch der Blick nach vorn: Für Hendrik Wüst herausragend ist die Tatsache, dass in Siegen an der Universität an einer “zentralen Zukunftstechnologie” geforscht werde: der “Quantencomputik”, eine der großen Zukunftstechnologin weltweit, die viele Bereiche des Alltags revolutionieren werde. Sein Fazit:"Siegen zeigt, wie die Verbindung von Tradition und Innovation erfolgreich gelingen kann."
Bürgermeister Steffen Mues begrüßte zahlreiche Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Universität Siegen, insbesondere Barbara Lambrecht-Schadeberg, Ehrenbürgerin und Kulturmäzenin der Stadt, der “Siegen unendlich viel zu verdanken hat“. In seiner Eröffnungsrede erinnerte Mues an die Anfänge der Stadt Siegen: ”Mit der 1224 urkundlich festgehaltenen Gründung einer neuen städtischen Siedlung auf dem Siegberg hat die Entwicklung Siegens zur heutigen Großstadt vor 800 Jahren ihren Anfang genommen. Die Urkunde ist nur auf das Jahr 1224 datiert, sie trägt aber kein Datum, und das ist gut, denn: Sie gibt uns dadurch die Möglichkeit eines ganzen Festjahres.“ Mues knüpfte in seiner Eröffnungsrede auch an die Anfänge der Stadtgeschichte an, wie sie der Historiker Mark Mersiowsky Mitte Januar bei der Auftakt-Veranstaltung der “Schlaglichter zur Siegener Stadtgeschichte” zur Stadtwerdung Siegens vorgestellt hatte.
Ab 1224 entstand eine Art kommunaler Selbstverwaltung; auf 1270 datiert ist die erste Erwähnung einer “Sprecherfigur” in Siegen, also eines Bürgermeisters. Rund 50 Jahre nach der Urkunde war das für Westfalen eine sehr frühe eigenständige Entwicklung, ebenso wie die Schaffung des ersten Siegener Stadtsiegels im Jahr 1289. Mark Mersiowsky sah darin, so Steffen Mues, eine “kleine Provokation” für die damalige Zeit, und folgerte: “Siegen ist eine große Erfolgsgeschichte des 13. Jahrhunderts, vor allem der Bürger. 1224 war der 'Turning Point' für Siegen.”
Mues erinnerte an die Rolle des Bergbaus, der metallverarbeitenden Industrie, den Zweiten Weltkrieg, Strukturwandel, den Abriss der Siegplatte im Zuge des Stadtumbaus, den Einzug der Universität in die Stadt und an weitere Schlaglichter der Stadtgeschichte. Er endete angesichts der aktuellen Ereignisse mit einem fast tagesaktuellen Ausblick, der Demo gegen rechts am Abend zuvor: “Auch wir in Siegen haben uns beteiligt, erst gestern Abend, als auf dem Bismarckplatz 5.000 Menschen versammelt waren, unter dem Motto ,Nie wieder ist jetzt!‘. Alle Menschen guten Willens, Demokratinnen und Demokraten, wir alle sind gefragt, genau jetzt.”
Steffen Mues zitierte den Schriftsteller Rafik Schamani, nach dem kaum eine gesellschaftliche Gruppe so viel Einfluss auf die Weltgeschichte habe wie die Gleichgültigen. Ihre Passivität habe die radikalsten Umbrüche ermöglicht. Steffen Mues: “Genau deshalb müssen wir uns aktiv auseinandersetzen mit dem, was war, was fortwirkt, im Guten wie im Bösen; wir müssen uns engagieren in unserer Stadtgesellschaft, ihre Vielfalt kennen- und schätzen lernen, und entschieden und wach die Weichen stellen für eine gerechte Zukunft." Das sei auch Ziel und Anspruch mit dem Programm des Jubiläumsjahres, einem Programm, das von eingehender Auseinandersetzung mit der Stadt und der eigenen Geschichte zeugt.